Samstag, 31. Januar 2015

Beschränktheit und Selbstbeschränkung.



Wir müssen aller Untersuchung voraus im Ich anknüpfen eine unbeschränkbare und eine beschränkbare Tätigkeit (ideale und reale Tätigkeit.) Die letzte werde auf eine bestimmte Weise beschränkt. Die Bestimmtheit besteht durch die Veränderung des Zustandes; durch die Veränderung wird der Zustand von allen Seiten geschlossen. 

Aber sie ist nicht beschränkt, wenn die absolut freie Tätigkeit darauf nicht reflektiert und die Beschränktheit nicht begreift. Aber die ideale Tätigkeit kann diese Beschränktheit nur an sich [selbst] begreifen, das heißt, sie muss auch selbst beschränkt sein. Da sie aber frei ist, so kann sie nicht durch das Beschränkende aufgesucht werden, sondern sie gibt sich de[m]selben mit Freiheit hin. 

Sie kann aber das Ich nicht begreifen, ohne es [als] beschränkt zu begreifen, dies gibt den Begriff des Ich, aber sie kann dies nicht, ohne ein Beschränkendes zu setzen, dies gibt der Begriff des NichtIch.

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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 100


Nota. - Das ist im Ton eines Lehrsatzes vorgetragen, nämlich als Resümee in der letzten Lesung vor den Weihnachtsferien. Umso wichtiger, daran zu erinnern: Dies ist kein Bericht davon, was einem menschlichen Individuum wirklich widerfährt in der Welt, bevor es zur Person wird; es ist eine Rekonstruktion davon, was in seiner Vorstellung geschehen sein muss, damit es zu einem bewussten Subjekt werden konnte.
JE







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Freitag, 30. Januar 2015

Aus dem Intelligiblen allein lässt sich nicht viel machen.


Wenn man das Intelligible (das ein[z]ig Intelligible ist unsere Selbstbestimmung, die keine Zeitfolge kennt, weil sie kein Mannigfaltiges ist, das sukzedieren kann) das An sich nennen wollte, so ist es nicht so. An sich handeln und sind wir nicht in der Zeit, denn der Wille ist keine Mannigfaltiges. Aber ich bin sinnlich, ich muss durch die Gesetze der Anschauung hindurchgehen, und sonach lässt sich aus dem Intelligiblen allein nicht viel machen.

Die physische Kraft ist für uns nur zufolge eines physischen Handelns da, nun sollen alle Dinge im Raume geordnet werden zufolge des Begriffs unserer physischen Kraft; sonach ist das Ordnen der Dinge im Raume und - da wir dies als Bedingung des Bewusstseins aufgezeigt haben -  alles Bewusstsein nur Möglich im Bewusstsein der Erfahrung des wirklichen Handelns. (Alle Abstraktion bezieht sich auf Erfahrung und ist ohne sie gar nichts.)
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 134  







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Donnerstag, 29. Januar 2015

Der Begriff bestimmt mein Begreifen.

Abriss der Wissenschaftslehre, V

Das Bestimmte, zu dem übergegangen wird, ist der Begriff eines bestimmten Dinges, aber ich selbst bin auch bestimmt in diesem Begriffe, weil das Quantum dieses Begreifens meinen Zustand ausmacht.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 103


Nota. - Nicht nur ich bestimme den Begriff. Der Begriff bestimmt auch mich, indem er das Maß meines Begrei- fens bestimmt.
JE




Mittwoch, 28. Januar 2015

Begreifen ist Übergehen von einer gewissen Unbestimmtheit zu einer gewissen Bestimmheit.

Abriss der Wissenschaftslehre, IV


...wie komme ich dazu zu sagen: alles ist mein Begriff?

Das Ich war bisher das Fühlende, es müsste auch das Begreifende sein; der Begriff müsste mit dem Gefühle notwendig vereinigt sein, so dass eins ohne das andre kein Ganzes ausmachte. Im Selbstgefühl ist Gefühl und Begriff vereinigt. Ich bin gezwungen, die Dinge so anzusehen, wie ich sie ansehe, wie ich mich selbst fühle, so fühle ich diesen Zwang in mir.

So ist bisher das Ich als das Begreifende selbst begriffen oder angeschaut worden, wir wollen jetzt weiter gehen: Ich kann mich als Ich nur setzen, in wiefern ich mich [als] tätig setze. - Da das Gefühl nur Beschränkung sein soll, so kann ich mich als Ich nicht fühlen, wenn nicht noch eine andre Tätigkeit hinzukommt. Mithin lässt sich aus dem Gefühle allein das Bewusstsein  nicht erklären, also müsste ich mich in dem Begriff Y setzen als tätig: Das Ideale gibt sich dem Gefühle hin; wie / dies zugehe, ist besonders der Gegenstand unserer gegenwärtigen Untersuchung.

Ich setze mich als Ich heißt: ich setze mich als tätig. Das Materiale der Tätigkeit (was dabei angeschaut wird) ist ein Übergehen von der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. (Das Formale ist die Selbstaffektion, das gehört nicht hie[r]her.) Das Ich soll hier im Begriffe tätig gesetzt werden, als von einer gewissen Unbestimmtheit zu einer gewissen Bestimmheit übergehend.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 102f. 







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Dienstag, 27. Januar 2015

Überschießende Einbildung.

Abriss der Wissenschaftslehre, III.

Die Möglichkeit des Begriffs wurde nur gezeigt unter ge-/wissen Voraussetzungen, die wir stillschweigend machen mussten und konnten.

Wir sind so verfahren: Ich bin ursprünglich praktisch beschränkt; daraus entsteht ein Gefühl; ich bin aber nicht bloß praktisch, sondern auch ideal. Die ideale Tätigkeit ist nicht beschränkt, folglich bleibt Anschauung übrig. Gefühl und Anschauung sind miteinander verknüpft. Im Gefühl muss eine Veränderung stattfinden, das ist die Bedingung des Bewusstseins. Ich bin in der Beschränktheit beschränkt,* werde also auch in der Anschauung Y beschränkt; aus jeder Beschränktheit entsteht ein Gefühl, also müsste auch hier ein Gefühl entstehen, das Ge- fühl eines Denkzwangs, und mit diesem Anschauung meiner selbst. Eine Anschauung, in der das Anschauende selbst gesetzt wird, die auf das Anschauende bezogen wird, heißt ein Begriff vom Ding, hier von Y.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 101f.

*) [indem die an sich unbeschränkte ideale Tätigkeit auf die Beschränktheit der realen Tätigkeit notwendig reflektiert. JE]


Nota. - Im Gefühl, nämlich wenn sie auf Sinnliches stößt, ist die Einbildungskraft beschränkt; sie muss sich an das halten, was sie vorfindet. In der Reflexion - Anschauung ist die allererste Reflexionsstufe - ist die Einbil- dungskraft nicht beschränkt, sie kann über das Angetroffene hinausgehen. Es entsteht ein Überschuss.

Was nun hat es mit dem 'Denkzwang' auf sich? Wo die Anschauung an die Stelle stößt, die der realen Tätigkeit ein Gefühl mitteilt - also an den Gegenstand Y -, da entsteht auch ihr ein Gefühl ("Selbstaffektion"), nämlich ein Denkzwang, sie muss sich den Gegenstand so vorstellen und nicht anders; aber sie muss dort nicht stehen- bleiben und schießt darüber hinaus.

Die so sehr abstrakte Diktion Fichtes ist, wenn man es ernstlich ausprobiert, bildhafter und 'anschaulicher', als ihr nachgesagt wird
JE







Montag, 26. Januar 2015

Abriss der Wissenschaftslehre, II.


Bis jetzt haben wir dies gefunden: Ich muss, wenn ich mich als handelnd setzen soll, mir irgendeines Zweck- begriffes bewusst werden. Mit der Beantwortung der Frage: Wie ist ein Zweckbegriff möglich? beschäftigen wir uns noch. Bisher haben wir gesehen, wie ein Begriff überhaupt möglich sei. Eigentlich ist von allem, was wir bisher aufgestellt haben, nichts ganz möglich, bis wir zu Ende sind.  Denn wir haben noch immer Bedingungen der Möglichkeit aufzustellen. Die Möglichkeit des Einzelnen lässt sich nur aufzeigen, wenn die Möglichkeit des Ganzen dargetan ist.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 101


Nota. - Die Wissenschaftslehre konstruiert nicht aus (von wem?) vorgegebenen Begriffen ein (besseres) Wissen; sie sucht zu dem tatsächlich vorliegenden Wissen die Gründe für seine Möglichkeit auf. Welches waren die Bedin- gungen, unter denen es so, wie es ist, werden konnte?
JE



Sonntag, 25. Januar 2015

Abriss der Wissenschaftslehre, I.



Der Inhalt der gesamten Wissenschaftslehre lässt sich kurz in folgenden Worten vortragen: 

Dass ich mir überhaupt etwas' bewusst werden kann, davon liegt der Grund in mir, nicht in den Dingen. Ich bin mir Etwas' bewusst; das einzige Unmittelbare, dessen ich mir bewusst bin, bin ich selbst; alles andre macht die Bedingungen meines Selbstbewusstseins aus. Vermittelst des Selbstbewusstseins mache ich mir die Welt bewusst. - 

Ich bin mir Objekt des Bewusstseins nur im Handeln. Wie ist die Erfahrung möglich? heißt: Wie kann ich mir meines Handelns bewusst werden? Auf die Beantwortung dieser Frage geht alles aus, und wenn sie beantwortet ist, so ist unser System geschlossen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 101






Samstag, 24. Januar 2015

Die Zeit wird angeschaut als das Nacheinander von Gefühlen eines Tätigen .


Der Zustand meines Gefühls verändert sich, wenn ich eine Kausalität wahrnehme; es ist eine stete Fortbewegung von A zu B, in der kein Sprung, kein Hiatus ist. Wenn ich die ge-/samt Masse des Gefühls als ein Linie denke, so werde ich keine zwei zunächst liegenden Punkte finden, die ganz entgegengesetzt wären. Nehme ich aber Teile heraus, so sind diese im Ganzen immer entgegengesetzt. 

Z. B. der Zustand des Gefühls, dem zufolge ich annehmen muss, A sei roher Marmor, verändere sich so, dass ich sonach zufolge des Gefühls A als eine Bildsäule annehmen muss. Dies ist ziemlich unbegreiflich, allein es ist auch nicht Sache des Begreifens (des Denkens), sondern des Anschauens; und wurde nur durch die Einbildungskraft so, wie sich dies bei der Deduktion der Zeit ergeben wird. 

Der Fortgang soll stetig sein, weil sonst die Einheit des Bewusstseins aufgehoben würde, und sonach bliebe das Bewusstsein, weil Bewusstsein Einheit ist [sic]. Nun aber sind die Gefühle als solche entgegengesetzt und könnten im Fühlen in derselben Rücksicht nicht stattfinden. Wie soll nun dies Mannigfaltige in der Kausalität vereinigt werden? Schon oben wurde gesagt: Die Gefühle müssen auf ein in beiden Zuständen fortdauerndes Gefühlsvermögen bezogen werden; diese Antwort bekommen wir hier wieder und bestimmter als oben. Es liegt darin, wie wir unsere mannigfaltigen Vorstellungen in der Zeit in Eins fassen, und uns bei allem Wechsel der Empfindungen für dasselbe Empfindende halte. 

Das Mannighaltige soll aber nicht nur überhaupt im Bewusstsein vereinigt werden, sondern es soll auch als Wirkung einer einzigen ungeteilten Willensbestimmung gedacht werden, denn nur so wird Kuasalität des Willens gedacht.

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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 128


Nota. - Noch immer ist von der eigenen Tätigkeit des Anschauenden selbst die Rede; sie ist es, die hier 'Kausalität hat'.
JE



Freitag, 23. Januar 2015

Organ meines Willens ist mein Leib.

nach Naukydes

Ich muss allerdings annehmen, dass ich die Materie im Raume außer mir nicht nur teilbar denken, sondern auch wirklich teilen könne. Aber ich kann dies nicht unmittelbar durch den Willen, sondern ich muss erst durch Mittelzustände hindurch gehen. Aber die Materie, in der durch meinen bloßen Willen etwas geschieht, ist mein Leib, inwiefern er artikuliert, nicht inwiefern er organisiert ist. 

(Es ist hier vom Leib die Rede, inwiefern ich durch ihn wahrnehme und wirke; inwiefern er Sinn ist und Organ; er ist das System meiner Gefühle, das Medium, durch welches Anschauung und Gefühl vereinigt sind. Zum Verdauen und Blutumlauf tut mein Wille nichts, aber meine Hand- oder Fußbewegungen hängt [sic] von mir ab.)
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 120 








Donnerstag, 22. Januar 2015

Das Mysterium der Eins.



Man nehme ein Objekt und setze es in den Raum und frage: wo ist es? Darauf gibt es keine Antwort, denn man hat keinen Punkt, wodurch man es bestimmen könnte, und doch gibt es eine solche Bestimmung, sie gründet sich darauf: Das erste Objekt wird gesetzt in den absolutem Raum durch absolute Spontaneität; das erste, was wir im Raum setzen, ist durch nichts bestimmt als durch unser Denken. .../...

Alle Ortsbestimmung ist nach dem vorigen § bloß relativ, oder nur bestimmt durch den Ort eines anderen Objekts; woher nun die erste Bestimmung? Das erste Ding, wodurch ich die anderen bestimme, ist in dem Ort, worin ich es gesetzt habe.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 116 


… Es ist dann jede Zahl aus der vorhergehenden zu definieren. ...
Gottlob Frege, Die Grundlagen der Arithmetik. 1884, § 6, S. 8

Das Mysterium ist die Eins. Es ist das Mysterium des Anfangs. Der ist schlechterdings nicht erklär-, d. h. ableit- bar. Denn wäre er abgeleitet, wäre er nicht Anfang. Der Anfang kann lediglich angeschaut werden. 
(Das Zählen geschieht in der Zeit.)

Erklärungsbedürftig bleibt weiter die Vermehrung um eins. Jedesmal ein ‘neuer Anfang’? Jedesmal eine neue Anschauung? Was bedeutet addieren? Verlängerung der Zeit um ‘dasselbe’?

3. 4. 2009 

Mittwoch, 21. Januar 2015

Alles objektive Vorstellen besteht in Raumerfüllung.


faberpartner

Alles objektive Vorstellen besteht in Raumerfüllung.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 117





Dienstag, 20. Januar 2015

Intensität und Quantum.


kamin.de

Die Intensität kommt dem Gefühle* zu, Extensität dem Raume. Durch jedes Gefühl werde ich geführt auf Materie, die ein Quantum ist und einen Raum erfüllt. (Gefühl drückt eine Beziehung auf uns aus, Beziehung auf unsere Begriffe; denn nur in wiefern Gefühl gesetzt ist, ist eine Anschauung vorhanden.) Nur in wiefern Materie ein Quantum ist, ist sie anschaubar; sie ist nicht mathematischer Punkt, denn sie kann geteilt werden: Die Kontinuität des Raumes und die unendlich Teilbarkeit der Materie müssen darum angenommen werden, weil sie Bedingungen der Freiheit sind.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 116


*) Anders als Kant, für den Anschauung und Sinlichkeit dasselbe sind, unterscheidet sie Fichte. Sinnlichkeit ist Gefühl,, ein Produkt der "realen Tätigkeit"; Anschauung ist hingegen eine erste Stufe der Reflexion, "ideale Tätig- keit". J


Montag, 19. Januar 2015

Unsere Objekte sind materiell und sinnlich.


gemüse.ch

Die Gefühle sind bloß subjektiv; was rot, süß, bitter etc. ist, kann man nicht durch Begriffe mitteilen; denn Objekten kommt außer den Gefühlsprädikaten weiter nichts zu, als dass sie Materie im Raume sind.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 116


Nota. - Das muss man sich klarmachen: Wenn F. von Gefühl redet, dann meint er nichts anderes, als was als sensus im Begriff Sensualismus vorkommt.
JE










Sonntag, 18. Januar 2015

Kant wollte alles aus Begriffen dartun.


artscience

Dieser Punkt ist in der Kantischen Darstellung nicht ganz richtig behandelt und hat Veranlassung zu einem System gegeben, wo zwar der Raum a priori sein soll, in welchem aber die Objekte a posteriori hinzukommen sollen.

Kant behauptet auch, dass die Objekte a priori im Raum sein sollen; er schließt aber indirekt. Der Raum ist ihm a priori, er ist ideal, sonach müssen auch die Objekte ideal sein: Kant wollte alles aus Begriffen dartun, drum wird auch seine transzendentale Ästhetik so kurz; das geht aber nicht, das Vernunftwesen ist nicht nur begreifend, sondern auch anschauend. Er bewies seine Anschauung vom Raume durch Induktion, Kant sagt nicht, dass der Raum gegeben werde; er sagt, dass unseren sinnlichen Vorstellungen etwas zu Grunde liege, dass es Noumene gäbe; er hat sich nicht deutlich darüber erklärt; er nennt es etwas, es ist aber nicht etwas, das Sein hat, sondern Handeln.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 113


Nota. - Die sogenannten orthodoxen Kantianer seiner Zeit, auf die Fichte hier anspielt, beriefen sich nicht ganz zu Unrecht auf den Meister. Dieser hatte dem Wissen Grenzen gesetzt, um dem Glauben Platz zu machen, und namentlich hatte er sein Apriori - Zeit und Raum und die zwölf Kategorien - nicht nach seiner Herkunft befragt; so dass es jedermann freigestellt blieb, es für die Verfügung einer höheren Intelligenz zu halten. Fichte schneidet diese Möglichkeit ab. Ihm geht nicht erst das aposteriorische, reale Wissen auf eine Handlungsweise des Subjekts zurück, sondern schon dessen apriorische kategoriale Voraussetzungen - weil nichts woanders herkommt als aus dem handelnden Ich. Für das Walten einer höheren Macht ist dann kein Platz mehr.
JE

Samstag, 17. Januar 2015

Die Wissenschaftslehre ist materialistisch und sensualistisch.


pixabay

...ich kann die Materie teilen, zusammensetzen, aber nicht wegdenken, wegschaffen, nicht vermehren, nicht vermindern; / wo wir hin denken, finden wir Raum, weil wir überall Materie denken.

Auf diesen Satz kommt es vorzüglich an. Wir sehen hier die Entstehung der ganzen Körperwelt, ja unserer gesamten, auch der Geisterwelt, denn es wird sich zeigen, das unsere Geisterwelt nichts ist als eine Abstraktion von der Körperwelt.

Wir haben jetzt die Einsicht erhalten, wie uns die Welt entstehen müsse; wir brauchen keinen gegebenen Stoff vorauszusetzen. Alles Objektive, und das Objektive hebt von der Materie an, entsteht in uns; ich bin ursprüng- lich beschränkt, und diese Beschränktheit, wenn ich darauf reflektiere, ist das Gefühl. Das Gefühl lässt sich allenfalls für das Gegebene halten, allenfalls, denn es ist auch nur ein Gefühl, in wiefern ich darauf reflektiere.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 112f.



Nota. - Die Wissenschaftslehre verträgt sich nur mit einer Realwissenschaft, die streng materialistisch ist, das bedeutet aber nichts weiter als: die nichts anderes gelten lässt, als was sich in Raum und Zeit beobachten lässt. Doch weder sind die Realwissenschaften Metaphysik, noch ist es die Wissenschaftslehre.
JE



Freitag, 16. Januar 2015

Das Wollen ist wahres inneres Wirken.



Im Wollen wird eine bestimmte Richtung gedacht und auf diese Richtung wird alles Denken geworfen; und es wird der Einbildungskraft nicht erlaubt abzuschweifen; beim Wünschen wird zwar auch die Richtung gedacht, aber der Einbildungskraft wird erlaubt abzuschweifen.

Daher nun, von diesem Nötigen und Zwingen der Einbildungskraft, sich nur hierauf zu richten, kommt der Begriff von Kraft, der mit dem Willen vereinigt ist. Es ist nicht möglich, sich einen Willen zu denken, ohne sich zugleich ein Anstoß, eine Anwendung von Gewalt zu denken. Das Wollen ist wahres inneres Wirken, Wirken auf sich selbst; das herumschweifende Denken wird ergriffen und auf einen Punkt beschränkt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 126








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Donnerstag, 15. Januar 2015

Was ist ein Vermögen?



Ich bestimme mich selbst heißt, ich erhebe eine Möglichkeit zur Wirklichkeit, ein Vermögen zur Tat. Den Akt der Selbstbestimmung durch absolute Freiheit bestimme ich durch ein Vermögen, mich durch absolute Freiheit zu bestimmen. Vermögen soll heißen Möglichkeit zur Tätigkeit, dies kann man aber nicht verstehen ohne das Reflexionsgesetz aufzustellen, wodurch der Begriff desselben entsteht.

Vermögen ist nichts als die Tätigkeit auf eine andere Art angeschaut. Jeder besondere Akt wird angeschaut, indem er durch ein Vermögen erklärt wird, so ist auch bei dem Akte der absoluten Freiheit. Eine Tätigkeit ist nicht ohne ein Vermögen und ein Vermögen nicht ohne Tätigkeit: Beide sind eins, sie werden nur aufgefasst von verschiedenen Seiten. Als Anschauung aufgefasst, gibts die Tätigkeit, als Begriff das Vermögen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 147


Nota. - Und noch einmal: Es wird nicht erst ein Vermögen postuliert, um daraus die Möglichkeit eines Aktes zu konstruieren; sondern es wird ein Akt beobachtet, und ihm wird seine Möglichkeit zu-gedacht.
JE




Mittwoch, 14. Januar 2015

'Aus nichts': die Grenze aller Gründe.


Hier gibt es keine Gründe; wir sind an der Grenze aller Gründe. Man muss nur zusehen, was man da erblicke. Jeder wird sehen: es gibt da kein Vermittelndes. Das Ich geht über, weil es übergeht, es bestimmt sich, weil es sich bestimmt, die Übergehen geschieht durch einen sich selbst begründenden Akt der absoluten Freiheit;es ist ein Erschaffen aus nichts, ein Machen dessen, was nicht war, ein absolutes Anfangen.

In der Unbestimmtheit liegt nicht der Grund der nachfolgenden Bestimmtheit, denn beide heben sich auf. Im Moment A war ich unbestimmt, mein ganzes Wesen wurde in dieser Unbestimmtheit aufgehoben. Im Moment B bin ich bestimmt, es ist etwas Neues da; dies kommt aus mir selbst; das Übergehen geht durch einen sich selbst begründenden Akt der Freiheit über.

Die Tätigkeit, die sich darin äußert, soll heißen reale Tätigkeit, der Akt, durch welchen sie sich äußert, ein praktischer; das Feld, worin sie sich äußert, das praktische, diesem Akte haben wir zugesehen und sehen ihm noch zu. Die Tätigkeit, womit dies geschieht, soll heißen ideale Tätigkeit.

Ich das Anschauende, idealiter Tätige, finde nun diesen Akt der absoluten Freiheit; aber ich kann ihn nicht finden noch beschreiben, ohne ihm etwas entgegenzusetzen. Ich bestimme mich selbst heißt, ich erhebe eine Möglichkeit zur Wirklichkeit, ein Vermögen zur Tat. ...

Vermögen ist nichts als die Tätigkeit auf eine andere Art angeschaut. Jeder besondere Akt wird angeschaut, indem er durch ein Vermögen erklärt wird, so ist auch bei dem Akte der absoluten Freiheit. Eine Tätigkeit ist nicht ohne ein Vermögen und ein Vermögen nicht ohne Tätigkeit: Beide sind eins, sie werden nur aufgefasst von verschiedenen Seiten. Als Anschauung aufgefasst, gibts die Tätigkeit, als Begriff das Vermögen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 147


Nota.- Aus nichts wird nichts, wird er später sagen, da wird er uns klären wollen, weshalb die Vernunft nicht entstanden sein kann, sondern "immer schon" dagewesen sein muss. Wer ihm aufmerksam zugehört hat, wird erkennen, dass er sich da im Grunde widersprochen hat.
JE






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Dienstag, 13. Januar 2015

Kraft.


griechischer Faustkämpfer

Mein Wille talis qualis ist frei; ich gebe ihn mir selbst; meine Kraft aber in der Sinnenwelt, wodurch ich z. B. einen Körper fortbewegen soll, soll etwas Gegebenes sein; weil sie als Objekt erscheint, und zwar nicht bloß als Objekt, sondern als Subjekt/Objekt.

Die sinnliche Kraft in Bezug auf unser Denken ist zuvörderst ein Begriff; der aber nicht entsteht durch An- schauung eines Objekts, sondern durch das Denken eines Mannigfaltigen in einer gewissen Verbindung. Kraft ist daher ein synthetischer Begriff, sie wird nicht angeschaut, sondern gedacht. Wenn ich das Mannigfaltige des Gefühl, das zufolge des Wollens entstehen sollte, zusammenfasse, so bekomme ich den Begriff von Kraft.

Er ist kein bloß sinnlicher und kein bloß intelligibler Begriff, sondern beides zum Teil. Der Stoff, die Willens- bestimmung, ist intelligibel, die Form aber, in welche meine Willensbestimmung fällt, die Zeit, ist sinnlich. Er ist eine Brücke zwischen der intelligiblen und der sinnlichen Welt, das, wodurch das Ich aus sich heraus und zu einer Sinnenwelt übergeht. Durch ihn stellt sich das Ich vor sich selbst als Objekt hin und knüpft sein Bewusst- sein an eine objektive Welt; so werde ich mir zu einem Objekte, zu einem Gegenstande der Wahrnehmung, und an dies Objektive knüpft sich mir eine Sinnenwelt an; von da geht alle Ansicht der Welt aus.

Darin lag der Fehler aller bisherigen Philosophen, dass man diese Erkenntnis als übersinnlich ansah; da [hier: während] doch unser Bewusstsein von der Wirklichkeit anhebt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 131





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Montag, 12. Januar 2015

Die intellektuelle Anschauung ist nicht in der Zeit.



Entstehen ist ein Zeitbegriff, ein Sinnliches, aber die intellektuelle Anschauung ist nicht sinnlich, sie entsteht also nicht, sie ist; und es kann nur gesprochen werden von ihr im Gegensatz der sinnlichen.

Zuförderst kommt die intellektuelle Anschauung nicht unmittelbar vor, sondern sie wird in jedem* Denkakte nur gedacht, sie ist das höchste im endlichen Wesen. Auch der Philosoph kann sie nur durch Abstraktion und Reflexion zu Stande bringen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 142

*) Die Gesamtausgabe schreibt: jenem






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Sonntag, 11. Januar 2015

Wie wir zu einer Realität kommen.


nepalesische Schamanenmaske

Das Ich setzt, dass mit dem Gefühle Y (welches auch nur für das Ich da ist, sofern es darauf reflektiert) die Anschauung Y notwendig verbunden sei, die aus der Beschränkung herausspringe. Durch diese Verknüpfung der Anschauung mit dem Gefühle wird Y dem Ich ein reelles Ding. So ist unsere geschildert Beschreibung des Transzendenten* genommen, es wird Bedingung meines Bewusstseins, des bestimmten Bewusstseins der Realität; was aus dem Gefühle erfolgt, heißt dem Ich Ding, Realität.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 104

*) die Vorstellung von einem Ding 'hinter' der Anschauung





Samstag, 10. Januar 2015

Fichtes Ding an sich.



Fichtes Ding an sich ist "die Vernunft". Sie allein ist nicht genetisch darstellbar: "Wo nichts ist, kann nichts werden." Sie ist Substanz. Sie wird nicht.

"Die Vernunft" ist "das Wesen des Menschen". Sie ist, indem sie wird. Anders "ist" sie nicht.

aus e. Notizbuch, 15. 12. 08


Das war ein kritischer Eintrag; denn Fichte selbst war sich darüber durchaus nicht im Klaren, er macht die Vernunft selbst nie zum Thema. Spätestens dann hätte ihm nämlich auffallen müssen, dass es sich um den einzigen philosophischen Begriff handelt, den er verwendet, ohne ihn genetisch hergeleitet zu haben. Es ist aber nichteinmal so, dass er sie als an-sich-seiende Substanz selbstverständlich voraussetzt, denn "wenn überhaupt" kommt als An-sich, wie er sagt, allerhöchstens das Wollen in Betracht, das ausdrücklich nicht abgeleitet, sondern bête comme un fait  als "aufgefunden" an den Anfang gesetzt wird. 

Dass die Vernunft bei Fichte dennoch immer erst 'wird', indem sie 'sich selbst bestimmt', ist der andere, trans- zendentalistische Pol, dem er mal mehr, mal weniger zuneigt. Er pendelt unentwegt zwischen beiden. Kaum vorstellbar, dass ein so scharfer Denker, dem vor dem winzigsten Mikrologismus nicht Bange war, diese Un- enschiedenheit nicht aufgefallen ist! So "muss es aber gewesen sein".



Freitag, 9. Januar 2015

Das Ich ist, wie die Vernunft, lediglich etwas Gedachtes.



Das Ich ist, wie es hier, in dem Hauptbegriffe der ursprünglichen Bestimmtheit, angesehen wird, etwas Intelligibles, ein Geistiges, es lässt sich bloß negativ bestimmen durch Abstraktion von der äußeren Anschauung. Die Form der äußeren Anschauung Raum und Zeit passt darauf gar nicht. 

Das Ich als ein Geistiges ist ein Bestimmtes, das Bestimmbare dazu muss auch rein geistig sein, eine Masse des rein Geistigen (sit venia verbo, es wird sich unten zeigen als Reich vernünftiger Wesen, das Ich ist ein bestimmter Teil dieser Masse; es wird sich unten zeigen, dass das Geistige sich teilen lasse. Das Ich ist Vernunft und bestimmte Vernunft.

Das Bestimmbare dazu ist alle Vernunft (Wesen meiner Gattung), das Bestimmte bin ich, (und das ich mir eine Sphäre des Vernünftigen entgegensetze) Ich als Individuum. 

Wir müssen hier das Bestimmbare und Bestimmte gegen einander halten; entgegengesetzt sind sie sich darin: das Bestimmte bin ich, das Bestimmbare bin ich nicht, ist Nichtich, gleich sind sie darin, dass sie beide gleich geistig sind (lediglich denkbar, Noumene).
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 149


Nota. - Vernunft ist vorausgesetzt durch die Begegnung mit vernünftigen Wesen, aber bestimmt ist sie nicht, nicht schon - jedenfalls nicht für mich - durch diese, sie ist vielmehr (für mich) bestimmbar durch mich, so wie jene. (Das Ich ist nur dazu da, die Vernünftigkeit zu erklären.)

Was immer er früher, zugleich oder später gesagt haben mag: Mit diesem Begriff von Vernunft war seine dogmatische Wendung nicht möglich. Er musste ihn wohl inzwischen aufgegeben haben.
JE



Donnerstag, 8. Januar 2015

Das Wollen ist dem Denken vorausgesetzt.



...alles empirische Denken geht aus von der Wahrnehmung der Veränderung des Zustandes, aber es wird nur wahrgenommen, inwiefern die Veränderung verknüpft ist mit dem Wollen. Ich verhalte mich dazu als das für das Denken Vorausgesetzte, und dieses Ich ist das Wollende und hat sonach den Charakter des Objektiven. Sonach entsteht das reine Wollen nicht durch das Denken, sondern wird diesem schon vorausgesetzt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 148









Mittwoch, 7. Januar 2015

Gefühl, Begriff, Absicht.


Lothar Sauer

Wenn ich wirke, so bringe ich mich eigentlich aus einem Zustande des Gefühls in einen anderen, hier ist ein Übergehen durch meinen freien Willen; so wenn ich mir einen freien Begriff entwerfe, z. B. wenn ich mir an die Stelle eines Objekts im Raume irgendein anderes denke; diese Veränderung soll geschehen durch meinen Willen zufolge eines Begriffs.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 148


Nota. - Gefühl ist die reale Seite der Tätigkeit, Anschauung ist ihr unvermeidliches Spiegelbild: ideale Tätigkeit. Das ist die Ur-Teilung, auf der alles Bewusstsein beruht: die Verdoppelung der Tätigkeit durch Reflexion. Weiter zurück geht es nicht in der Erfahrung, sondern nur noch durch Spekulation: Wenn dieses folgen konnte, muss jenes vorausgegangen sein... Und der (retro-) spekulative Ausgangspunkt: Es muss gewollt worden sein.
JE